1 Ein Psalm Asafs. Das kann auch hier bedeuten: ein Psalm, der aus Asafs Jahrhunderte hindurch bestehenden Sängerfamilie hervorgegangen ist. / Elohim tritt auf in der Gottesgemeinde, / Unter den "Göttern" hält er Gericht Der Dichter sieht im Geist Gott in der Gottesgemeinde Israels ehrfurchtgebietend auftreten, um Gericht zu halten. Und wen will er richten? Die "Götter" (hebräisch: Elohim). Mit diesen Elohim oder Göttern sind aber nicht Engel oder Götter der Heiden gemeint, wie neuere Theologen wunderlich erklären, sondern Menschen, und zwar Menschen inmitten des Volkes Israel, auf die Gott (Elohim) etwas von seiner Macht- und Herrscherwürde gelegt hat, so daß sie auch gleichsam als Elohim auf Erden dastehen. Kurz, die "Götter" sind die Richter und Obrigkeiten in Israel (vgl. 2. Mos. 21,6; 22,7.28, wo die Richter auch Elohim oder "Götter" genannt werden). Die Obrigkeit ist Gottes Dienerin; aber deshalb muß sie ihr Amt auch im Sinne Gottes ausrichten. Gott hält nun nach Ps. 82,1 inmitten der von ihm selbst bestellten Machthaber Gericht und rügt sie wegen der Ungerechtigkeit in der Ausübung ihres Amtes.:

2 "Wie lange wollt ihr ungerecht richten / Und Partei für die Frevler nehmen? Sela.

3 Des Geringen, der Waise nehmt euch an, / Dem Gedrückten und Dürftigen schaffet Recht!

4 Befreit den Geringen und Armen, / Aus der Frevler Händen errettet ihn! In V.3 und 4 wird den Machthabern Gerechtigkeit gerade gegen die eingeschärft, die sich nicht, wie die Großen und Angesehenen, selbst Recht schaffen können.

5 Doch sie erkennen's nicht, sehen's nicht ein In V.5 setzt sich die Rede Gottes fort, und zwar als eine Art Selbstgespräch: Die Machthaber verkennen in ihrer Blindheit ihre Stellung und die Pflichten ihres Amtes., / Sie gehen verblendet dahin - / Drum wanken auch alle Grundfesten des Landes. Die göttlichen Gebote sind die Grundfesten des Landes. Werden Gottes Gebote von den ungerechten Richtern mit Füßen getreten, so müssen diese Grundfesten ins Wanken geraten.

6 Ich hab zwar gesagt: 'Götter seid ihr / Und Söhne des Höchsten ihr alle.'

7 Doch wahrlich, wie Menschen werdet ihr sterben, / Fallen wie einer der Fürsten." Gottes Rede wendet sich in V.6 und 7 wieder an die ungerechten Richter. Ich habe euch (so spricht Gott zu ihnen) zwar dadurch hoch gestellt, daß ihr in meinem Namen als meine Stellvertreter Recht sprechen sollt. Aber weil ihr euch der Ehrennamen "Götter" und "Söhne des Höchsten" unwürdig gezeigt habt, so sollen euch diese Namen genommen werden, und ihr sollt wieder heißen, was ihr in Wirklichkeit seid: "Menschen"; und als Menschen wird euch das Strafgericht eines plötzlichen, gewaltsamen Todes treffen, wie es auch früher schon so manchem Fürsten und Machthaber des Volkes widerfahren ist. - Mit dem Hinweis auf Ps. 82,6 beweist Jesus in Joh. 10,34-36 den Juden, daß er nicht Gott lästere, indem er sich Gottes Sohn nenne. Die Juden sprachen zu ihm: "Obwohl du ein Mensch bist, willst du doch Gott sein." / Darauf antwortete ihnen Jesus: "Steht nicht in eurem Gesetz (d.h. im Alten Testament, und zwar in Ps. 82,6) geschrieben: Ich habe gesagt: 'Ihr seid Götter'? Das Gesetz hat also die Männer, an die dieser Gottesspruch (in Ps. 82,6) ergangen ist, Götter genannt, und die Schrift muß doch gültig bleiben -: wollt ihr nun den, den der Vater geweiht (für seinen Beruf ausgesondert und durch die Gabe des Heiligen Geistes dazu ausgerüstet) und in die Welt gesandt hat, der Lästerung beschuldigen, weil ich gesagt habe: 'Ich bin Gottes Sohn'?" Der Sinn dieser Worte ist: Wenn in dem unverbrüchlichen Gotteswort in Ps. 82,6 schon die obrigkeitlichen Personen Israels, die noch dazu ihre Macht in Ungerechtigkeit mißbrauchten, als Stellvertreter Gottes für sein Volk "Götter" und "Söhne des Höchsten" genannt werden: wie kann man da Jesus, den höchsten und vollkommensten Gesandten und Stellvertreter Gottes, der Lästerung beschuldigen, wenn er sich Gottes Sohn nennt!

8 Auf, Elohim, richte die Erde! / Denn alle Völker sind dein Besitz. Die besondere Bitte, Gott möge die gottlosen Richter in Israel richten, treibt den Psalmisten in V.8 zu der allgemeinen Bitte, Gott möge auch zum Gericht über die ganze Erde erscheinen.