1 Mein Sohn, bewahre meine Warnungen und halte meine Gebote im Gedächtnis fest!

2 Bewahre meine Gebote, so wirst du leben, und hüte meine Lehren wie deinen Augapfel!

3 Binde sie dir um die Finger, schreibe sie dir auf die Tafel deines Herzens!

4 Sage zur Weisheit: »Du bist meine Schwester«, und nenne die Einsicht deine vertraute Freundin,

5 damit sie dich von dem Eheweibe eines andern fernhält, von der fremden Frau, die glatte Reden führt (2,16).

6 Denn als ich (einmal) am Fenster meines Hauses durch mein Gitter hinausschaute,

7 da sah ich unter den Unerfahrenen, bemerkte ich unter den jungen Leuten einen unverständigen Jüngling,

8 der auf der Straße hin und her ging, in der Nähe ihrer Ecke, und in der Richtung nach ihrem Hause schritt,

9 in der Dämmerung, am Abend des Tages, tief in der Nacht und in der Finsternis.

10 Da kam ihm auf einmal eine Frau entgegen im Anzug einer Lustdirne und mit arglistigem Herzen.

11 Sie ist in leidenschaftlicher Aufregung und wilder Unruhe, ihre Füße halten’s in ihrem Hause nicht aus;

12 bald ist sie auf der Straße, bald auf den freien Plätzen, und neben jeder Ecke lauert sie.

13 Nun hascht sie ihn, küßt ihn und sagt zu ihm mit frecher Miene:

14 »Dankopfer war ich schuldig: heute habe ich meine Gelübde entrichtet;

15 darum bin ich ausgegangen dir entgegen, um dich aufzusuchen, und habe dich nun gefunden.

16 Mit Teppichen habe ich mein Lager hergerichtet, mit bunten Decken von ägyptischem Linnen;

17 ich habe mein Bett mit Myrrhe, Aloe und Zimt besprengt.

18 Komm, wir wollen uns an der Liebe berauschen, bis zum Morgen in Liebeslust schwelgen!

19 Denn der Mann ist nicht daheim, er ist weithin auf Reisen gegangen;

20 die Geldtasche hat er mit sich genommen: erst am Vollmondstage kommt er wieder heim.«

21 Durch ihr eifriges Zureden verführte sie ihn, mit ihrem glatten Geschwätz riß sie ihn fort:

22 betört folgte er ihr wie ein Stier, der zur Schlachtung geht, und wie ein Hirsch, der ins Netz rennt,

23 bis ein Pfeil ihm das Herz durchbohrt; wie ein Vogel dem Fanggarn zueilt, ohne zu ahnen, daß es um sein Leben geht.

24 Nun denn, mein Sohn, so höre auf mich und achte auf die Mahnungen meines Mundes!

25 Laß dein Herz sich nicht auf ihre Wege locken, verirre dich nicht auf ihre Pfade!

26 denn viele Erschlagene hat sie zu Boden gestreckt, und zahlreich sind die, welche sie alle gemordet hat.

27 Ihr Haus bildet den Eingang zur Unterwelt, Wege, die zu den Kammern des Todes hinabführen.